Der Anflug auf die Stadt war überwältigend: Die Städte und Dörfer im Hochtal leuchteten orangefarben; es sah aus, als läge zwischen den dunklen Bergen langsam erstarrende Lava. Dann schwenke der Flieger über der Ciudad de Mexico ein und ging hinunter in diese Glut. Nirgendwo war eine Landebahn zu sehen, es war, als landete man mitten in der Stadt, zumal ich bei der letzten Kurve im Anflug dachte, die Airbus streife mit seinen Flügeln fast noch einen hohen Turm. Das war aber Spinne, da waren wir sicher noch 600m drüber.
Mein irokesenhäuptiger Reisebegleiter seit Toronto, ein 27jähriger, etwas primitiver Speditionskaufmann, unterwegs zu einer Jugendherberge in M.C. ging mir im Flughafen dann verloren:
Er traute sich nicht zu mir ins Taxi, zu Don Samuel, einem halblegalen Taxista, der mir am Ausgang einen guten Preis angeboten und schriftliche Referenzen deutscher Reisender präsentiert hatte. Er führte mich durch einen Seitenausgang und quer durch ein Parkhaus in eine enge Gasse, in dem sein 34jähriges Klappertaxi vor einem Kiosk parkte.
Man wird ja immer davor gewarnt, sich mit solch Halblegalen einzulassen - man werde dann mit Sicherheit ausgeraubt, aber ich hatte die ganze Zeit ein gutes Gefühl. Es passierte dann auch gar nichts. Don Samuel klärte mich unterwegs über die Politik in Mexico auf - er ist Anhänger von Obrador, dem unterlegenen Kandidaten der letzten Präsidentenwahl - und erzählte von seiner Familie. Seine jüngste Tochter ist 7 Jahre alt, Don Samuel aber schon 74. Maja und Mel haben also einen ziemlich jungen Papa.
Gestern (9.2.) war ich den ganzen Tag im historischen Zentrum unterwegs, acht Stunden zu Fuss und spürte abends mein Kreuz nicht mehr. Heute (10.2.) bin ich früh raus und nach
Teotihuacan gefahren - mit der Metro zum Busbahnhof und mit dem Linienbus zu den Pyramiden. Ich bin die 142 Stufen - und die haben es in sich: sie sind bis zu 30 cm hoch und verdammt schmal - auf die Sonnenpyramide gestiegen, bin den "camino de los muertos" zur Mondpyramide entlang und auch dort hinauf.
Leider waren zu dieser frühen Zeit meiner Abreise und auch bei der Ankunft dort nirgendwo die Kioske geöffnet und ich hatte mir also kein Wasser kaufen können, sodass ich aus diesem Abenteuer nicht nur sonnenverbrannt, sondern auch völlig dehydriert zurück gekommen bin.
Der Eindruck von dieser aztekischen Anlage aber war grossartig.
Morgen (11.2.) muss ich irgendwie Geld besorgen, nachdem am Automaten meine Mastercard nicht funktionierte, obwohl da drauf stand, er würde das Plastikding akzeptieren. Also auch morgen in die riesige und grauenhaft laute Stadt.
Wo immer man hinkommt, auch in der Metro, durch die ganze Banden von CD-Verkäufern mit umgehängten Lautsprechern laufen, über die sie ihre Raubpressungen abspielen, dudelt Musik, meist an der Grenze der Körperverletzung, so laut ist das. Dazu kommt ein immenser Verkehr, in dem die Polizeiautos feststecken und dennoch lustig vor sich hin tröten. Die Bürgersteige sind voller Kioske, ganze Straßenzüge sind den modernen Medien gewidmet und aus all diesen Läden und Kiosken brüllt Musik.
Ich weiss immer noch nicht, wo wir Walross 4 übernehmen werden. Möglicherweise entscheidet sich das erst am Dienstag in Berlin. Ich bin also wohl mindestens noch bis Mittwoch hier und beginne, mir dafür ein Besichtigungsprogramm zusammen zu stellen.
Heute (12.2.) habe ich mich aufgemacht und bin nach
Xochimilco gefahren. Erst ein paar Stationen mit der Metro bis zur Endstation, dann mit einer Art Straßenbahn, dem tren ligero, bis zu der Stadt, auf deren Gewässern einstmals schwimmende Felder waren. Sie sind heute, bis auf wenige Beispiele ("Welterbe") verschwunden.
Zuvor ist es mir gelungen, bei der mexikanischen Staatsbank Geld locker zu machen: was bin ich jetzt reich! Bisher hatte ich wirklich jeden Peso umgedreht - heute hab ich mir für unglaubliche 90 Pesos, das sind so ungefähr 7,50 Euro, ein Mittagessen geleistet...
An der Endhaltestelle traf ich auf eine Gruppe von Franko-Kanadiern, die sich auch aufgemacht hatten zum ebarcadero. Ich schloss mich ihnen an, was sich allerdings als nicht ganz so sinnvolle Entscheidung entpuppte. Ich war davon ausgegangen, so stand es auch im Reisefuhrer, dass die Einzelboote sehr teuer sind, also dachte ich, in Gruppe wird's billiger. Später stellte sicher heraus, dass bei den "offiziellen" Booten jeder dasselbe bezahlt.
Es gab in der Gruppe erst einmal eine lange Debatte, ob man eine oder zwei Stunden auf den Kanälen zubringen und ob wir die touristische oder die ökologische Tour machen wollten. Schließlich entschied die Mehrheit für zwei Stunden und den Tourismus.
Die Boote sind ungeschlachte Stocherkähne, auf einen gehen fast 20 Menschen drauf. Immerhin reiste ein Eimer kaltes Bier mit.
Raus aus dem Hafenchen auf den Canale Grande: dort legen andere Boote an unseren Kahn an. Mariachikapellen bieten Begleitung an, Blumenverkäuferinnen und Sombrerohändler bevölkern das Wasser, von anderen Booten wird Essen verkauft. Ich gestattete mir ein choclo asado und staunte die verbliebene Natur in diesem Touri-Teil des Kanalsystems an: wundervoll blühende Sträucher und Blüten. Dann setzte sich ein weißer Reiher auf's Ufer. Ich scherzte mit dem ramero, der Reiher sei wohl vom Touri-Büro angestellt.
Die Kanadier redeten nur untereinander, ich ließ mir dagegen vom ramero, der uns stakte, erklären, was es da so zu sehen gab.
Die Inseln, auf denen nun Häuser stehen, große Gewächshäuser und Restaurants, wo die Boote anlegen, waren einst chinampas, aus Rohr geflochtene Flöße, auf die Erde aufgebracht wurde, durch die die Bäume am Rande der Flöße bis in den Seegrund wurzelten und sie so festhielten. Auf den schwimmenden Inseln wurde Landwirtschaft betrieben; diese Methode der Kultivierung ergab bis zu sieben Ernten im Jahr. So konnten die 400.000 Einwohner der Azteken-Hauptstadt Teotihuacán ernährt werden,die ja inmitten eines grossen Sees lag, der in gleicher Weise genutzt wurde. Cortez legte ihn trocken und heute liegt da, was heute der Moloch M.C. ist. Und Vieles liegt daher auf schwankendem Grund und sinkt jährlich tiefer...
Morgen ist Kulturtag: die Museen. Und zu dieser Museumstour breche ich jetzt auf.