Da stand Herr Schmidt auf: Man nimmt uns die Heimat! Überfremdung, sagte er. Zuviele Fremde, die uns die Heimat rauben. Dagegen ist Widerstand geboten, so stehe es im Grundgesetz. Die Argumente kamen mir bekannt vor. Es sind die meines Vaters. Ihre Basis ist ein diffuser völkischer Rassismus, der sich rationaler Zugänglichkeit entzieht. Diskussionen darüber gleichen einem Reigen, dessen Figuren ewig wiederkehren. Fakten und Zahlen dringen durch den Brummbaß der Gefühle nicht hindurch. Es lohnt nicht.
Herr Schmidt und seine Argumente schienen Einigen bekannt. Er schnitt die Diskussion im Stadtforum über „Stadt und Migration“ mit, machte sich Notizen, offenbar ein Experte in „Heimat“, dessen Analyse bestimmt in einem kleinen rechtsgerichteten Blatt erscheinen wird. Er sagte nicht, was ihm Heimat sei, was Fremde. Herr Schmidt ist Heimatvertriebener und definiert Heimat vom Verlust her. Heimat ist für ihn der Verlust von etwas Vertrautem, an dessen Stelle nichts Anderes angeeignet worden ist.
In meiner Kindheit gab es viele Fremde in unserem Ort, Flüchtlinge wie Herr Schmidt. Das waren wir auch, aber doch auch wieder nicht. Wir waren faktisch eher aus der Fremde Zurückgekommene. Aber da ich noch einen fremden Dialekt sprach, drückten sie mich vor der Molkereizentrale aus der Schlange. Wie andere Flüchtlingskinder auch.
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