Mannbarkeitsfeier

In der „tageszeitung“ schildert eine Journalistin das Fortleben der „Jugendweihe“ im Osten der Republik und die Probleme, die sie als Mutter einer pubertierenden Tochter damit hat. Denn sie erinnert sich an das Ritual, das sie selbst in der Zeit des „real existierenden Sozialismus“ im Saal des Kino International in der Karl Marx Allee durchlitt. Der stellvertretende Postminister der Deutschen Demokratischen Repu­blik – ein öder Bürokrat als Festredner – hatte sie und die anderen Jugendlichen dort aus der Kindheit entlassen und mit Urkunde und Handschlag auf den vollen Einsatz für den Sozialismus verpflichtet.

Heute ist die Jugendweihe im Osten eine Veranstaltung, die privat organisiert wird und nicht auf ein be­stimmtes Gesellschaftsmodell verpflichtet. Was geblieben sind, sind Äußerlichkeiten: die Jugendlichen verkleidet als kleine Erwachsene, eine Festrede, Geschenke und eine gewisse Peinlichkeit, die gleich­wohl, auf Seite der Erwachsenen, mit Rührung durchmischt ist. Die Journalistin stellt sich abschließend die Frage, für wen eigentlich diese Entlassung ins Erwachsenenleben zelebriert werde und welche Bedeutung sie denn für die Beteiligten habe. Eine glaubwürdige Antwort findet sie nur für sich selbst: das Ritual hilft ihr bei ihrem Entschluss, ihr Kind nun los zu lassen.

Die DDR hatte die Jugendweihe staatlich vereinnahmt. Heute, vor 155 Jahren, war sie von den Frei­denkern als weltliches Pendant zu Konfirmation und Firmung für agnostische Familien erfunden und, folgerichtig, vom „gottgläubigen“ Führer sofort verboten worden. Umso seltsamer erscheint mir heute deshalb die Feier zu meinem vierzehnten Geburtstag, mit dem ich „mannbar“ geworden war und an dem ich im Kreis „der Sippe“ in einem fast identischen Ritual, gekleidet als junger Erwachsener, aus der Kindheit entlassen wurde: feierliche Musik, Festrede, Geschenke inklusive. Nur die Inhalte waren verschieden.

Meine Taufbibel war die Prachtausgabe von Hitlers „Mein Kampf“, die zum 50. Geburtstag des Führers in einer Sonderausgabe mit goldener Sonnenrune und Schwert auf dem Einband herausgegeben worden war. Mein Patenonkel Duschi, er arbeitete damals im Innenministerium des Reichs in Berlin, hatte damals auf das Vorblatt die Widmung geschrieben:

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