Heute morgen haben wir die Grenze zwischen Mexico und den USA passiert. Bis dahin zeigte das Echolot in der grossen Bucht eine Wassertiefe von 29 m. Die letzten Töne der amerikanischen Nationalhymne, von drei Crewmitgliedern im Cockpit ziemlich schräg und mit durchaus uneinheitlicher Stimmführung vom Blatt gestammelt, waren kaum verklungen, da stieg die Tiefe auf 32 m an. Da war klar, wir sind in the land of the free: da ist halt alles größer, tiefer, mächtiger.
Weit draussen eine Ansteuerungstonne, aber dann war es einfach, den Tonnenstrich entlang bis zur Quarantänestation, an der wir einchecken sollten. Doch vor diesen Akt hatten die zuständigen Behörden eine lange Wartezeit geschaltet. Christoph kam mit den Papieren zurück an Bord: die Station ist nicht besetzt. Wahrscheinlich kommen Ausländer hier nur alle paar Jubeljahre vorbei.
Man meldet sich an der Kontrollstation über Telefon bei der border control – wir haben uns zwar schon zuvor von See her per Funk beim harbourmaster gemeldet, aber der behält offenbar diese Information für sich. Weit draussen hatten uns schon eine futuristische Fregatte und mehrere Hubschrauber der Marine beäugt – ihre Erkenntnisse aber ebenso für sich behalten. Ein Dank an die Gewaltenteilung und den Datenbeauftragten. Nur leider kostete das unsere Zeit.
Es dauerte drei Stunden, bis die Grenzbeamten kamen.
Da lagen wir nun, schauten im Fernglas die Bungalows und Wohnanlagen den Hügel hoch und tauschten uns darüber aus, welche wir nehmen würden. Für mich gab es zwei: ein wundervolles Anwesen am halben Hang, rosa, majästetisch und mit vier Säulen, die die mittige Loggia fassten und ein Anwesen weiter oben, von dem man nur ein altes, rundes, ziegelbedecktes Dach in einer Falte des Hangs sehen konnte. Die einzige Frage, die sich mir dabei stellte: wo hätte ich Platz für meine Bibliothek…
Jogger liefen am Strand entlang und wir wunderten uns über die Kinder, die dort badeten: so viel weiter nördlich sollte das Wasser so warm sein, dass man baden konnte?
Ich bereitete inzwischen das Mittagessen vor, schnippelte Kartoffeln, Zucchini, Möhren und Zwiebeln für den Eintopf, konnte aber nicht zu kochen beginnen, denn Christoph hatte das letzte Dutzend mexikanischer Eier auf den Herd gestellt. Und das war wohlgetan.
Denn was dann begann, war ein Vernichtungswerk.
Das Einklarieren in die USA war kein Problem. Der border officer hatte, versehen mit den Angaben, die unser Skipper beim Telefonkontakt durchgegeben hatte, die nötigen Dokumente schon gefertigt und mitgebracht. Er musste nur noch die Pässe ansehen. Ein Problem hatte nur sein Kollege von der Lebensmittelkontrolle: er hieß sämtliche pflanzliche und tierische Produkte in Tüten packen und an Bord bringen. Die letzten Kartoffeln, Möhren, Avocados und Zwiebeln, in Plastik eingeschweißte Würstchen und zwei Beutelchen dehydriertes Rindfleisch wanderten in den Quarantänemülleimer am Steg, auf dem geschrieben stand: die Wiederentnahme ist nach Bundesrecht verboten und wird bestraft.
Dann kam er zur Kontrolle unter Deck.
Eigentlich war er ein ganz netter Typ und es schien ihm selbst ein wenig peinlich zu sein, dass er so scharf kontrollieren müsse. Immerhin gab er zwei Gurken und eine Knoblauchknolle zurück und ließ die fürs Mittagessen vorbereiteten Schnipsel durchgehen. Auch das marinierte Rindfleisch, das ich dafür vorgesehen hatte, blieb unbeanstandet: mexican beef is no problem, sagte er – aber ich wagte nicht, das dehydrierte beef zurück zu fordern, um die Situation nicht zu komplizieren. Denn es stand die Kontrolle unter Deck noch aus.
Wir reißen den Konserven, sofern ihre Metallhülle nicht bedruckt ist, immer die Papierhüllen ab, bevor sie gestaut werden und beschriften sie mit Marker. Damit soll verhindert werden, dass die Banderolen unterwegs, von eindringendem Seewasser gelöst, in die Bilge wandern und die Pumpen verstopfen. Das erschwerte nun die Kontrolle. Der officer nahm sich deshalb nur der bedruckten Konserven an und entweder war er besonders ehrgeizig, oder er wurde je nach Gewicht der sichergestellten Menge evaluiert.
Und er sprach nur seine Heimatsprache. So wanderten denn auch zwei Dosen Würstchen – produit francais – die es von Martinique bis San Diego geschafft hatten, in den Quarantänemüll.
Zum Schluss entdeckte der Mensch noch einen Apfel in der Pantry. Wo der her sei? Nun, ich hätte ihn in Mexiko gekauft, aber gewachsen sei er wohl in Argentinien oder Chile. Anyway, meinte der officer. Und als ich sagte, ich würde ihn auch gleich essen: sorry, too late.
So wurde das amerikanische Volk erfolgreich vor der Vernichtung durch Schweinepest, Vogelgrippe und verschiedene Pflanzen- und Saatgutzerstörer bewahrt.
Dann kam Suse an Bord, Chippies Schwester, die als Biophysikerin in einer Forschungsgruppe in San Diego arbeitet. Sie wollte uns bis Los Angeles begleiten, gab aber zunächst einmal Tips für den Landausflug.