Ich sehe mich auf dem Schulweg. Es ist Sommer. Ich gehe, barfuss und in kurzen Lederhosen, die Wilhelmstrasse entlang. Aus einem Keller, der mit schmalen Luken zum Bürgersteig hin entlüftet, strömt ein kalter Hauch um die nackten Beine. Das wiederholt sich in der Kirchgasse und treibt den Harn in die Blase. Zum Pinkeln an die Linde oder den Sockel des Bismarckdenkmals oder in einer der Ecken der Amanduskirche klappte man halt den Latz der Lederhose herunter, der mit zwei dicken Hornknöpfen befestigt war.
Nun aber werden die zunächst rauen Lederhosen im Gebrauch nicht nur glatt sondern auch härter und man konnte diesen Prozess dadurch beschleunigen, dass man an ihnen die fettigen Finger abputzt und im Wald auf dem Hosenboden die Hänge hinunterrutscht. Die Produktion dieser Patina war ein hochwillkommener Prozess der Aneignung und Individualisierung dieses Bekleidungsstücks und nur die älteren Knaben in einer Familie hatten überhaupt die Chance dazu, denn die Hosen wurden an die jüngeren Geschwister oder Vettern weitervererbt. Die mussten die fremde Patina weiter tragen. Mit der Härtung des Leders wurde es aber zunehmend schwieriger, die Knöpfe zu öffnen. Wir übten, ohne den Hosenlatz aufzuknöpfen und das „Spitzle“ herauszuholen, zwischen Oberschenkel und Lederhosenbein herauszupinkeln. Das geht, wenn man die Hände in die Taschen steckt, damit die Hose in die richtige Position dreht und das kleine Gemächt in eine propere Lage schüttelt.
Damit konnte man sich dann dicke machen.
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